Autor: Prof. Dr. Dagmar Everding (Hochschule Nordhausen)
Die Umstellung des Energiesystems auf erneuerbare Energien setzt vor allem auf die Energieträger Wind, Sonne, Biomasse und Umweltwärme. Die Gewinnung von Wärme und Strom von der Sonne erreicht ihre höchste Effizienz, wenn sie unmittelbar am Gebäude erfolgt, weil Energiebedarf und Energiegewinnung hier direkt beieinanderliegen. Daher sehen wir immer mehr Dächer, die mit Photovoltaikanlagen zur Stromgewinnung und Solarkollektoren zur Wärmeerzeugung ausgestattet sind. Durch diese Installationen verändern sich die Dachlandschaften in den Städten.
-Umstellung des Energiesystems und Auswirkungen auf die Dächer
Eine Entwicklung, die schon vor dem Beginn des 2. Weltkriegs begann, danach sich mehr und mehr verstärkte, war die Umstellung von Einzelraumheizungen auf Zentralheizungssysteme bzw. auf eine Fernwärmeversorgung. Die Dächer konnten daher von einer Vielzahl von Schornsteinen befreit werden. Eine nachträgliche Wohnnutzung der Satteldächer wurde möglich (aufgrund weniger Heizungsstränge und Kamine). Weit verbreitet sind auf den Südseiten der Dächer aufgeständerte Solarkollektoren zur solaren Warmwasserbereitung. Diese Anlagen haben einen geringen Flächenumfang und sind von zurückhaltender dunkler Farbgebung geprägt, d. h. sie fallen auf schwarz gedeckten Satteldächern kaum auf.
Eine Solarthermie-Anlage, welche heizungsunterstützend tätig ist, benötigt viermal so viel Fläche wie die Anlage für eine solare Warmwasserbereitung. Ebenfalls großflächig zeigen sich die Photovoltaikanlagen, die Solarstrom für die Einspeisung in das öffentliche Stromnetz produzieren.
Abbildung: Solare Stromproduktion für die Netzeinspeisung in Nordhausen, Am Hagentor
Die stadträumliche Wirkung steigert sich bei den Anlagen zur solaren Stromproduktion für den Eigenverbrauch. Den Strom, der im Gebäude am Vormittag benötigt wird, liefern die Solarmodule auf der Ostseite der Dächer, die Module auf der Südseite decken die Mittagsspitze und die Module auf dem Westdach die Stromnachfrage am Nachmittag und am frühen Abend.
Perspektiven der Solarenergienutzung
Nach der Umstellung auf Zentralheizungen steht in der Wärmeversorgung eine weitere gravierende Veränderung an: die Umstellung auf Flächenheizungen. Ihr Vorteile liegt in der Effizienz, weil sie mit niedrigeren Temperaturen arbeiten. Auch eignen sie sich für die Kühlung im Sommer, ein Effekt, der in Folge der steigenden Temperaturen an Bedeutung gewinnt.
Eine weitere Umstellung ist die Ausstattung der Gebäude mit Batterien und die Versorgung von Stadtquartieren oder Dörfern mit zentralen Batteriestationen. Die Batterien sorgen dafür, dass Lastgänge d.h. die Nachfrage nach Strom sich an die Gewinnung oder den Einkauf von Strom anpassen lässt. Dadurch steigen Effizienz und Wirtschaftlichkeit der PV-Anlagen enorm.
Von diesen technologischen Entwicklungen ergeben sich gravierende Anforderungen an die Dächer und Fassaden von Gebäuden. Photovoltaik-Module, welche die Energiebedarfe zu verschiedenen Tages- und Jahreszeiten befriedigen, sollen auf Flächen installiert werden, die sowohl nach Osten, nach Süden und nach Westen orientiert sind. Generell steigt die benötigte Modulfläche, weil immer mehr Geräte und Einrichtungen Verwendung finden, die mit Strom betrieben werden, z.B. der vermehrte Einsatz von Wärmepumpen.
1. Entwicklungen bei den Solaranlagen
Oft genug scheitern Unternehmen mit innovativen Produkten, deren Nützlichkeit durchaus einleuchtet, weil der Markt noch nicht bereit ist, größere Stückzahlen abzunehmen. Dies konnte ich bei zwei Produkten verfolgen:
-bei mit amorphem Silizium Beschichteten Metalldächern und
-bei Solardachziegeln.
Beide Produkte kamen um die Jahrtausendwende auf den Markt und verschwanden nach einigen Jahren wieder. Zwar waren sie für Bauherren und Architekten interessant, aber die damaligen hohen Modul-Preise schreckten potentielle Kunden ab. Einem anderen für architektonische Lösungen ebenfalls interessanten Produkt gelang jedoch der Markteintritt, und zwar den Glas-Glas-Modulen, die sich insbesondere bei Überglasungen anbieten. Sie sind leistungsstark in der Stromproduktion, entfalten eine hohe ästhetische Wirkung und der Mehrpreis hält sich in Grenzen.
Abbildung: Überdachung mit Glas-Glas-Modulen im ZKM Karlsruhe
Heute liegen die Solarmodul-Preise bedeutend niedriger, so dass neue Anbieter die alten Ideen aufgreifen und erneut auf den Markt bringen.
Die heutigen Solardachziegel zeichnen sich durch die Kombination von Strom- und Wärmegewinnung aus und weisen eine große Farb- und Materialpalette auf.
Solare Dünnschichttechnologie setzen Unternehmen ein, die flexible Folien
produzieren, die auf verschiedenen Flächen und Materialien aufgeklebt werden. Beliebt sind solche Folien z. B. bei Segel- und Motoryachten und im Camping-Bereich. Auch bei ballonartigen Dachformen kommt diese Technologie zum Einsatz.
2. Gestalterische Integration der Solarenergienutzung
Die Anforderungen, die an eine gestalterische Integration der Solarenergienutzung gestellt werden, hängen in ihrem Umfang von der jeweiligen Gebäudeart, Gebäudenutzung und der städtebaulichen Situation ab.
Geringe Anforderungen stellen sich bei Gewerbe- und Zweckbauten sowie höheren Wohnhäusern mit Flachdach, da diese Dächer vom Straßenraum kaum einsehbar sind. Mehr Aufwand in den gestalterischen Überlegungen bedarf die Installation aufgeständerter Solarmodule auf niedrigen Gebäuden mit Flachdach.
Bei Gebäuden mit Satteldächern sollten wir die Solaranlage nicht als „technische Applikation“ wie z. B. eine Antenne sondern als „Bauteil“ begreifen. Das Bauteil Dacheindeckung erhält eine zusätzliche Funktion: die Gewinnung von Strom oder Wärme aus Sonnenenergie.
In diesem Sinne hat die Stadt Wien einen Leitfaden erstellt, der die gestalterischen Anforderungen formuliert und technische Hinweise gibt. Die in diesem Leitfaden als positive Beispiele vorgestellten großflächige Glasbauteile mit dunklen monokristallinen Photovoltaik-Zellen wirken zwar farblich zurückhaltend, wegen ihrer Lichtreflektion und abweichenden Materialität halte ich sie im Bestand, je nach städtebaulichem Zusammenhang, allerdings teilweise für problematisch.
Viel wäre für das Stadtbild gewonnen, wenn zeitgleich mit jeder Dachsanierung und mit jedem Dachausbau die Planung der Solaranlagen als integrierte Maßnahme behandelt würde. Dachdecker und Architekten sollten die vielen neuen Produkte kennen, um gestalterisch gute Lösungen vorschlagen zu können. Und nicht zuletzt wünsche ich mir, dass die Denkmalschutzstellen nicht nur schlechte Lösungen abwehren sondern mit gestalterisch positiven Beispielen werben.